Familie Spickermann

Heinrich Spickermann eröffnete im Jahr 1911 einen Fahrradladen in der Wilhelmstraße 37. Kurz zuvor waren er und seine Frau Rosa Spickermann geb. Herz nach Euskirchen gezogen. 

Ihre Tochter Rosa Franziska kam am 25. Mai 1914 in Euskirchen zur Welt. Heinrich Spickermann war Katholik, seine Frau und deren Vorfahren jüdischen Glaubens. Anlässlich ihrer Hochzeit konvertierte Rosa Spickermann zum Christentum. Nach ihrer Geburt wurde auch die gemeinsame Tochter Rosa Franziska getauft.

Die erste große Diffamierung erlebte Franziska Spickermann als sie 1937 ihren Verlobten Anton Schmitz heiraten wollte. Das 1935 verabschiedete „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“, eines der sog. Nürnberger Gesetze, verbot die Eheschließung zwischen Juden und Nicht-Juden. 

Laut der Gesetzgebung der Nationalsozialisten galten Kinder jüdischer Eltern als „Volljuden“. Diejenigen Kinder, deren Eltern sowohl jüdische als auch nicht jüdische Eltern hatten, bezeichneten die Nürnberger Gesetze als „Halbjuden“. 

Diese sogenannten „Mischehen“ wurden in den folgenden Jahren der NS-Herrschaft aufgrund ihrer Familienzugehörigkeit von zentralen Verfolgungsmaßnahmen und Deportation ausgenommen. Im Sprachgebrauch der Nationalsozialisten galten sie daher als „privilegiert“. Trotzdem war die Mischehe keine Garantie für ein Überleben. Vor allem lokale Behörden gingen immer radikaler gegen die Mischehen vor. Viele Betroffene verloren dadurch nicht nur ihre Existenzgrundlage, sondern oft auch Freiheit und Leben.

Laut der Gesetzgebung der Nationalsozialisten galt Rosa Spickermann als Jüdin, ihre Ehe war eine „Mischehe“ und die Tochter Rosa Franziska galt als Halbjüdin. Die ganze Familie wurde ab März 1933 genauso schikaniert wie alle jüdischen Familien in Deutschland.

Nach dem „Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre“ vom 14.11.1935 benötigten Rosa Franziska Spickermann und Anton Schmitz eine Genehmigung für ihre Ehe, die ihnen jedoch versagt wurde. Seine Arbeitsstelle bei den Arloffer Tonwerken verlor Anton, da die beiden an ihrer Liebe festhielten. Die Diskriminierungen rissen nicht ab.

Heinrich Spickermann wurde von den Behörden und Parteigenossen aufgefordert, sich von seiner Familie zu trennen und die Scheidung einzureichen. Dem kam er nicht nach. So wurden die Schikanen in seinem Geschäft immer größer: Seine Lehrlinge musste er aus bestehenden Lehrverträgen entlassen, damit sie „keine jüdischen Manieren“ durch Heinrich Spickermanns Frau und Tochter erlernen. Das Arbeitsamt wies ihm dann nur noch Parteimitglieder als Arbeitskräfte zu - so waren die Spitzel im eigenen Haus.

Von den Deportationen blieben die Personen aus „Mischehen“ zunächst noch verschont. Dies änderte sich 1944: Jetzt wurden die „arischen“ Partner und „Mischlingskinder“ zu Zwangsarbeit in Lagern verpflichtet, kamen in Konzentrationslager und Gefängnisse. Die jüdischen Partner kamen sofort in die Konzentrationslager.

Am 12. September 1944 zwang man Heinrich Spickermann und seine Frau innerhalb von 2 Stunden das Haus zu verlassen. Man holte ihn gewaltsam heraus und brachte ihn in das Barackenlager nach Köln-Müngersdorf. Seine Frau Rosa brachte man in das KZ Theresienstadt, wo sie im November 1944 starb. 

Heinrich Spickermann kam im Oktober in Gestapohaft nach Weimar, wo er wahrscheinlich bis zum Kriegsende inhaftiert war.

Tochter, Franziska Spickermann war schwer erkrankt. Nach der Deportierung ihrer Eltern konnte sie in einem Miethaus in Kuchenheim, Im Örtchen, unterkommen. Dort starb sie am 13. Februar 1945 im Alter von nur 30 Jahren.

Heinrich Spickermann kam im Juli 1945 nach Euskirchen zurück und wollte sein Geschäft wiederaufbauen. Statt Entschuldigungen und Entschädigungen wurde Heinrich Spickermann noch Monate nach Kriegsende diskriminiert. Jetzt warf man ihm vor, er habe Parteimitglieder in seinem Geschäft eingestellt, die in Uniform die Kunden bedient hätten. Dabei waren sie ihm aufgezwungen worden. Ein anderer Nachbar setzte sogar das Gerücht in Umlauf, dass Heinrich Spickermann selbst in der Partei gewesen sei und einen Posten als Blockwart ausgeübt zu haben. Die Uniform, in der die Nachbarn ihn gesehen hatten, war allerdings die Uniform der freiwilligen Feuerwehr gewesen. Im August 1945 wandte sich Heinrich Spickermann an den Bürgermeister und bat um Schutz gegen weitere Verleumdungen.

Am 2. März 1949 im Alter von 72 Jahren in Euskirchen.

 

Weiterführende Literatur:

Rünger, Gabriele: Die Opfer der Rassenhygiene – Zwangssterilisation, Euthanasie und Rassenwahn, in: Geschichtsverein des Kreises Euskirchen e. V. (Hrsg.): Nationalsozialismus im Kreis Euskirchen, Band 2 (Geschichte im Kreis Euskirchen 21), Weilerswist 2007, S. 657-754, hier S. 740-744.