Relief an der Fassade des Rathauses
Zum Gebäude (Standort des Reliefs):
1890/91 Das Landratsamt wird in Euskirchen
seit 1827 Verwaltungssitz des Kreises Euskirchen
an der Kölner Straße gebaut (mit Remise und Treibhaus).
1908 Ein Nebengebäude wird - im NW - zur Kuchenheimer Straße hin erstellt.
1930 An der Stelle von der Remise entsteht eine Garage für ca.5 Kraftfahrzeuge.
1938 Ein zweites Nebengebäude wird - im NO - an der Kuchenheimer Str. gebaut.
1939 Haupt- und Nebengebäude (von 1938) werden baulich verbunden, jedoch nicht in endgültiger Ausführung, d.h. mit Erweiterung des Nebengebäudes.
1944 Das Kreishaus wird durch Kriegseinwirkung zerstört.
1950 Ein Neubau des Kreishauses wird beschlossen. Nach einer Wettbewerbsausschreibung werden die Entwürfe am 13. / 14.Juni im Emil-Fischer-Gymnasium ausgestellt und juriert. Man entscheidet sich für den Entwurf des von Ernst Meller aus Köln, die örtliche bzw. technische Bauleitung überträgt man dem Euskirchener Architekten Josef Ley.
1950, Nov. Der Bau des neuen Kreishauses wird begonnen.
1952, Dez. Fertigstellung / Bezug
1975, Dez. Die Kreisverwaltung bezieht das neue Kreishaus an dem Jülicher Ring, die Stadtverwaltung wird vom "Alten Rathaus" in das bisherige Kreishaus verlegt.
1991/92 Ein Erweiterungsbau - an der Kölnerstraße - wird an das 1950/52 erstellte "Kreishaus" angeschlossen.
Relief an der Fassade der Stadtverwaltung
An der Fassade zur Kölner Straße hin befindet sich - am ehemaligen Kreishaus - ein Relief, das in die Muschelkalkplatten der Fassadenverkleidung eingeschnitten ist.
Technik:
Versenktes Relief, d.h. das Motiv ist in die Steinplatten hineingeschnitten.
Maße: ca.450 x 450 cm
Entstehung: 1952
Entwurf und Ausführung: Adolf Wamper, Bildhauer aus Essen
Motiv: Es sind drei Figuren in gleicher Größe gezeigt - eine Frau und zwei Männer. Die vorangestellte Frau steht in starr aufrechter, archaischer Haltung und hält in den vorgestreckten Armen einen Spinnrocken. Die Männer- als "Zweiergruppe" zusammengerückt -, sind in Gehbewegung dargestellt; einer trägt in den Armen eine Getreidegarbe, der andere auf der rechten Schulter einen (Zuschlag-)Hammer.
Die Attribute verweisen auf eine Spinnerin / Weberin, einen Bauern und einen Bergbauarbeiter. Diese Beigaben sind in ähnlicher oder auch gleicher Art im Wappen des Kreises Euskirchen -als Symbole - zu finden: Weberschiffchen (statt Spinnrocken), Ähre (statt Getreidegarbe) und Hammer.
Geschichte des Reliefs:
Bei dem im Jahre 1950 von Ernst Meiler geplanten Kreishaus war eine Fassadenverkleidung in Muschelkalkplatten vorgesehen, wobei der Architekt auch schon an eine "Ausschmückung" dachte. Als Dr. Heinrich-Martin Rütten im Jahre 1951 Oberkreisdirektor wurde, griff er die Idee zu einer künstlerischen Gestaltung der großen glatten Fassadenfläche an der Kölnerstraße auf, sicherlich auch angeregt durch seine Freundschaft mit dem Bildhauer Adolf Wamper.
Im März 1952 nahm man hierzu mit Prof. A .Wamper und Prof. Gerhard Marcks Kontakt auf, doch hat man danach einen Wettbewerb für die Gestaltung der Fassade ausgeschrieben. Prof. Ludwig Gies aus Köln, Prof. Willy Melier aus Köln und Prof. Adolf Wamper aus Essen haben hierzu Entwürfe eingereicht Am 1.Juli 1952 entschied sich der Hauptausschuss des Kreistages - nach einer Beratung durch Prof. Mages, Leiter der Klasse Architekturplastik an der Kunstakademie Düsseldorf - für den Entwurf von Adolf Wamper.
Der Entwurf "Zum Sprung ansetzender Löwe" von L. Gies wurde verworfen, weil damit die Proportionen der Straßenfront gesprengt worden wären; Der Entwurf "Wappenfiguren-Gruppe" von Willy Melier wurde als zu "nobel" abgelehnt; Adolf Wamper hatte - eigentlich entgegen der Vereinbarung - vier Entwürfe eingereicht. "Sämann", "Schnitterin" (vollplastisch), "Schulzmantelmadonna" und "Wappenfiguren". Im Hinblick auf die Ausgewogenheit der Fassade wählte man die "Wappenfiguren" aus.
Nun stellte Wamper ein Modell im Maßstab 1 : 2 her; nach dem Gipsabguss davon übertrug der Bildhauer seinen Entwurf auf die bereits an der Fassade befestigten Muschelkalkplatten. Er arbeitete an Ort und Stelle vom Gerüst aus, so dass das Werk jederzeit in seiner Wirkung kontrolliert werden konnte.
Während dieser Schaffenszeit war Wamper bei Dr. Rütten - in der Obergeschosswohnung im Kreishaus (heute Kantine der Stadtverwaltung) - einquartiert. Damit war eine kontinuierliche Arbeit, aber auch die Möglichkeit zum Arbeitsgespräch gegeben. Im Oktober 1952 war das Werk vollendet, fast rechtzeitig zur 650 Jahr-Feier der Stadt Euskirchen.
Dieses Relief hat sich in den folgenden Jahren oder auch Jahrzehnten bei der Bevölkerung eingeprägt, es ist also historisch geworden. Wie sehr man damals von dem Relief beeindruckt war, zeigt das Titelbild des Kreis-Heimatkalenders von 1954. Hierbei gestaltete der Erper Graphiker Jo Stolz aus dem Motiv des Reliefs im Graphischen das Motiv für das Titelblatt.
Beschreibung des Reliefs:
In Anlage und Ausführung erinnert das Relief unwillkürlich an ägyptische Arbeiten, wobei die Klarheit im Umriss der Figuren eine zeichnungshafte Schärfe erreicht. An den Figuren findet sich die Verbindung von Profil- und Frontalansicht, worin sich der flächenhafte Charakter ausdrückt.
Bei diesem Relief ändert sich mit dem Wechsel des Standortes die Stärke der Konturen für den Betrachter, so dass fortwährend ein lebendiges "Bild" gegenwärtig ist. Damit ist trotz der geringen Tiefe des Schnittes eine plastische Wirkung erzielt. Der relativ helle gelbliche Muschelkalk und die glatt polierte Oberfläche erzeugen ein weiches Licht-Schatten-Spiel und damit eine ruhige, ausgeglichene Plastizität.
Die Figuren sind in einfacher, archaischer Linienführung und mit durchgehend glatter Oberfläche angelegt. Sie sind "noch" ein wenig idealisiert in vereinfachter Arbeitskleidung bzw. als Halbakte dargestellt. Nicht arbeitend, sondern zur Arbeit bereit sind sie gezeigt. Lediglich Attribute weisen auf die Produktion hin. Zufriedenheit, Zielgerichtetheit und Fortschreiten in der Arbeit, die nebeneinander verrichtet wird, werden besonders durch die "Dreieckkomposition" deutlich gemacht. Füße, Bein / Garbe und Frau / Rocken bilden die Seiten des Dreiecks, dessen Spitze zur "Eingangsseite" des Gebäudes zeigt.
Beim Betrachten des Reliefs wird man schon ein wenig an die Relief-Figuren erinnert, die Adolf Wamper 1936 an den Eingangspfeilern des Dietrich-Eckart-Theaters in Berlin geschaffen hat. Statt "Fackeln" tragen diese Figuren hier "Zeichen" ihrer Arbeit, so könnte man denken; aber beim konkreten Vergleich bemerkt man, dass Wamper offensichtlich dem Heroischen abgeschworen hat und - ohne abrupte Abwendung - in traditionalistischer Bildhauerei seine Ausdrucksform gefunden hat, wobei er einen heute sicherlich historisch bedeutsamen Stil der Nachkriegszeit mitentwickelte.
Dieses Werk ist also ein Dokument für die künstlerische Arbeit eines im Nationalsozialismus aktiven Bildhauers in den Nachkriegsjahren bzw. in den fünfziger Jahren.
Idee des Künstlers/ Intention
Zur Entstehungszeit des Reliefs war für die "Kunst am Bau" noch eine figürliche Darstellung gefragt, dies ganz bestimmt bei einem Landkreis.
Thematisch bezogen sich alle Entwürfe auf Inhalte des Kreiswappens, d.h. das Motiv der Gestaltung wurde in bezug auf die Funktion des Gebäudes entwickelt. Prof. Wamper berücksichtigte in seiner Ausarbeitung die dominierenden Arbeitsbereiche der Kreisbewohner: Tuchweberei, Landwirtschaft und Bergbau.
Durch die bereits bestehende Vorgabe von Material und Ort waren die Möglichkeiten und Grenzen der Gestaltung eingeengt. So war eine bildhauerische Arbeit in den Muschelkalkplatten fast ausschließlich auf die Technik des versenkten Reliefs und auf eine weniger differenzierte Ausarbeitung des Motivs festgelegt.
Auf diesem Hintergrund entwickelte Adolf Wamper in Zeichnungen und Modellen eine Gestaltung, wobei er die Symbole aus dem Kreiswappen aufgegriffen und Figuren zugeordnet hat. Dabei leugnet er nicht sein bisheriges künstlerisches Bemühen, sondern bearbeitet das Thema aus seinem künstlerischen Reservoir heraus, jedoch unter neuen gesellschaftlichen Bedingungen. Bei der Ausführung hat er noch kleine Änderungen - Weglassen der Sonne, der Kopfbedeckung und der Betonung der Muskeln - vorgenommen, was auch sicher auf intensive Gespräche mit Dr. Rütten zurückzuführen ist.
Erhalt des Kunstwerks
Als 1992 die Fassade des Rathauses erneuert werden musste, sollte ursprünglich auch dieses Relief entfernt werden. Offensichtlich waren Herkunft und Bedeutung des Werks in Vergessenheit geraten.
Unter Leitung von Dr. Conrad Peter Joist recherchierten Schüler des benachbarten Emil-Fischer-Gymnasiums (u.a. ist der der oben stehende Text ein Ergebnis dieser Arbeit) über dieses Kunstwerk und konnten mit den zusammengetragenen Fakten sowohl den damals bei der Stadt Euskirchen zuständigen Stadtbaudirektor Karl von Hülsen als auch den Landeskonservator von der Bedeutung des Reliefs überzeugen. Daraufhin wurden Lösungen gesucht und gefunden, die ursprüngliche Fassade und damit auch das Relief baulich zu sichern und zu erhalten. Die neue Fassadenkonstruktion bildet seitdem einen Rahmen um das Kunstwerk.
Adolf Wamper
Bildhauer
Würselen/Aachen 1901 - 1977 Essen
Studium an der TH Aachen, dann Ausbildung zum Bildhauer in Aachen; später Meisterschüler von Prof.
Richard Langer an der Kunstakademie Düsseldorf
Freischaffender Künstler in Düsseldorf und Münster
Ab 1936 in Berlin, Hauptschaffenszeit
Plastiken am Eingang der Dietrich-Eckart-Bühne, Reichssportfeld; Reliefs am Gebäude der
Reichsgetreidestelle, Plastiken an den Messehallen; Reliefs am Marinelazarett (Stralsund)
Ausstellungen in deutschen Großstädten sowie in Paris, Barcelona, Warschau, Wien und Mailand
Ankäufe durch Museen in Bielefeld, Trier, Düsseldorf und Nürnberg
1944 Übersiedlung nach Bielefeld, Einberufung zur Wehrmacht, Gefangenschaft
1948 bis 1970 Leiter der Bildhauerklasse an der Folkwangschule in Essen. 1970 Professor
Literatur:
W. Rittich, Architektur- u.Bauplastik der Gegenwart. Berlin 1938
Bruno E. Werner, Die Plastik der Gegenwart, Berlin 1940
W. Westecker, Adolf Wamper. In: Künstler des Ruhrlandes. Essen 1954. S.95 f.
Als Quelle wurden Unterlagen aus dem Stadtarchiv Euskirchen benutzt.
Entnommen aus: KUNST / DENKMAL IN EUSKIRCHEN, HERAUSGEBER: EMIL-FISCHER-GYMNASIUM EUSKIRCHEN, Bearbeitet von Schülern, 12. Jg., Januar 1991
Ergänzende Informationen zu Adolf Wamper:
1933 Eintritt in die NSDAP sowie in die „Reichkammer der bildenden Kunst“
1936 Gestaltung von Eingangsreliefs an der Freilichtbühne auf dem Berliner
Olympiagelände, z.B. das Relief „Heldenehrung“
1937 Beteiligung an der „Großen deutschen Kunstausstellung“ in München
1940 Beteiligung an der „Großen deutschen Kunstausstellung“ in München
mit der kriegsverherrlichenden Skulptur „Genius des Sieges“
1941 Beteiligung an der „Großen deutschen Kunstausstellung“ in München
August 1944 Aufnahme in Hitlers Liste der „gottbegnadeten Künstler“
1944 Einberufung zur Wehrmacht
1945 Kriegsgefangenenlager "Goldene Meile"
ab 1948 Leiter der Bildhauerklasse an der Folkwangschule in Essen
Foto: Gregor Jonas