Kirchheim
Kirchheim und die Steinbachtalsperre sind ein Begriff. Immer führt der Weg zum Stausee über das große Kirchdorf am Berghang - früher durch die kurvenreiche Hauptstraße, dann über eine Umgehungsstraße (die jetzige Talsperrenstrasse), vorbei an damals neuen Wohnvierteln, die mittlerweile integraler Bestandteil des Dorfes geworden sind. An der großen Serpentine des "Kirchheimer Bergs" treffen sich beide Routen, und der Blick von dort auf den darunter liegenden Ort und weiter in die Ebene des Euskirchener Landes bleibt haften. Auch ist von hier aus immer noch zu erkennen, dass sich Kirchheim eigentlich aus drei Ortsteilen zusammensetzt, aus Oberkastenholz, aus dem "Dorf" in der Mitte und aus Hockenbroich. Neuere Erschließungsmaßnahmen lassen aber bestehende Baulücken zwischen den ursprünglichen Ortsteilen verschwinden.
Kirchheims beherrschende Lage in der Landschaft wurde schon von den fränkischen Königen erkannt und zum Bau einer befestigten Hofanlage genutzt, der "Hockebur". Ihr Standort ist in verschiedenen Flurnamen angedeutet, aber durch Grabungen noch nicht belegt. Wie bei Flamersheim ausgeführt, wird an dieser Stelle in einer Urkunde des Jahres 870 das Königsgut "Flamersheim" erwähnt, das nach der Zerstörung durch die Normannen wenige Jahre später in die Ebene an die Stelle des heutigen Flamersheim verlegt worden ist. Der Ortsteil Hockenbroich führt den Namen "Hockebur" in abgewandelter Form fort.
In der Kirche von Kirchheim haben wir wahrscheinlich die Nachfolgerin der Pfalzkapelle des fränkischen Königsgutes Hockebur vor uns; auch das Patrozinium des hl. Martinus weist auf ihre Entstehung in fränkischer Zeit hin. Der ausgedehnte karolingische Fiskalbesitz ging wohl um 900 zum großen Teil in den Besitz der Aachener Pfalzgrafen über, die auch das Hockebur allmählich durch Kirchheim verdrängt; anstelle der Burg war nun die Kirche beherrschender Mittelpunkt der Ansiedlung geworden. Die ursprüngliche Kirche stand auf dem alten Friedhof; 1672 fand die Erneuerung des Chores statt, 1704 kam es zu einem Neubau des Turmes, 1868/70 wurde die jetzige Kirche, ein Hallenbau im frühgotischen Stil, nach den Plänen des Bonner Architekten Schubert errichtet und 1871 konsekriert, nachdem die alte Kirche abgebrochen worden war. Von ihr stammt noch ein fränkischer Kopf (Skulptur aus Sandstein), der in den Neubau eingefügt wurde. In den Jahren nach 1945 hat sich Dechant Emonds mit Hilfe seiner Pfarrgemeinde der Ausstattung des Gotteshauses besonders angenommen. Dach und Turm wurden erneuert, desgleichen Chor und Altar. Neue Glocken wurden beschafft. Eine besondere Zierde des Gotteshauses ist das Michaelfenster nach dem Vorbild von Chartres. 1963 mußte die Kirche statisch gesichert werden; die Fundamente der Westseite hatten nachgegeben, so dass sich gefährliche Risse im Gewölbe bemerkbar machten.
Entgegen seinem Namen gehört auch das frühere Schweinheimer Kloster zum Gebiet der Pfarre Kirchheim. Gestiftet wurde es als Cisterzienserinnenkloster 1238 von dem Ritter Gottfried von Tomburg unter dem Namen "Porta coeli" (Himmelspforte). Im Lauf der Jahrhunderte kam der Convent zu ausgedehntem Grundbesitz, so daß die Einnahmen schließlich 6000 Taler jährlich betrugen. In den Jahren 1726 bis 28 entstanden die noch vorhandenen Gebäude; nach der Aufhebung des Klosters 1803 wurden die Kirche und weitere Baulichkeiten abgebrochen, erhalten blieben der Äbtissinnenbau mit dem Hauptportal und dem barocken Treppenhaus und ein Nebenflügel. Die Ausstattung der Klosterkirche wurde auf mehrere Pfarrkirchen der Umgebung verteilt. Auch der Besitz ging in verschiedene Hände über.
Kirchheims landschaftliches Kleinod ist die Steinbachtalsperre mit den umgebenden Wäldern, die sich bis Bad Münstereifel hinziehen. Zweck der Talsperre, die 1936 fertiggestellt worden ist und ein Fassungsvermögen von 1,2 Millionen Kubikmetern hat, ist die Versorgung der Euskirchener Industrie mit Brauchwasser; ist doch die Bereitstellung von Wasser eine wichtige Voraussetzung für die Ansiedlung und Erhaltung vieler Industriezweige. Aber die zahlreichen Erholungssuchenden, die die Steinbachtalsperre in immer größerer Anzahl "entdecken", interessiert das weniger; sie erfrischen sich lieber nach langer Waldwanderung in der großzügig ausgebauten Badeanstalt und suchen dann die gepflegte Gaststätte auf. Auch die Madbachtalsperre am Ostrand des Waldgebietes liefern ihr Wasser an die nach Euskirchen führende Industrieleitung.
Als der Kreis nach 1945 seiner Jugend ein Heim für Freizeitgestaltung und musische Betätigung schaffen wollte, da schien ihm kein Platz geeigneter als die Höhe über dem Steinbachsee; 1953 wurde das Haus bereits eröffnet und sah seither viel reges Leben. 1975 verkaufte der Kreis das Jugendheim an das Erzbistum Köln, das seither dort unter dem Namen Bildungsstätte Steinbachtalsperre - Kinderzentrum im Erzbistum Köln - ganzjährige Schulungswochen für Kinder und Jugendliche abhält.
Kirchheims Abbild wäre nicht vollständig, würde nicht die "Honshecke" genannt, das baumbewachsene Grundstück der Junggesellen, auf dem alljährlich wie schon vor vielen hundert Jahren das "Honshecker Protokoll" unter seltsamen überlieferten Zeremonien verlesen wird - ein ins Humorvolle abgewandeltes Weistum aus der Zeit, da das ganze Land ringsumher dem Königsgut Hockebur zinspflichtig war, ein seltenes Beispiel geschichtlicher Überlieferung über den Zeitraum eines Jahrtausends hinweg.
Mit dem Broterwerb taten sich die Kirchheimer in früheren Zeiten schwer. Wohl gehörten zu jedem Haus einige Morgen Landes, doch das war steinig und die Erträge der Landwirtschaft gering. So arbeiteten die Männer teils in den Forsten, teils in den Stein- und Kalkbrüchen oder im Straßenbau ("Kiesklöpper"). Alte Leute wissen sich noch zu entsinnen, dass sie in ihrer Jugend in der Liblarer Braunkohlenindustrie oder im Mechernicher Bleibergwerk arbeiteten. Die Woche über blieben sie dort, zum Wochenende kamen sie zu Fuß nach Hause und kehrten in der Nacht zu Montag gleicherweise zu ihrer Arbeitsstätte zurück. Erst der Anschluss Kirchheims an das Verkehrsnetz durch eine stark befahrene Buslinie schuf lohnendere Verdienstmöglichkeiten.
Weitere Seiten über Kirchheim
Denkmale in Kirchheim
Kirche St. Martinus
Private Seite zum Ortsteil Kirchheim