Alter Markt - Standort des Brunnens:

Der Alte Markt war und ist Mittelpunkt städtischen Lebens in Euskirchen. Nach Verleihung des Marktprivilegs im Jahre 1322 wurde der Alte Markt fast quadratisch angelegt und löste den für Waren- und Viehmärkte zu klein gewordenen Kirchplatz ab. Ein öffentlicher Brunnen darauf ist 1606 urkundlich erwähnt. 1787 wurde ein neuer Brunnen mit Pumpe eingerichtet.

1833 erhielt der Alte Markt einen Pflasterbelag, der 1885 bzw. 1928 erneuert wurde. 1867 wurde wiederum ein neuer Brunnen - mit Pumpenpfeiler - angelegt, der bis 1910 existierte. Bis 1976 auch als Parkplatz genutzt, wurde der Alte Markt 1980 im Rahmen der Stadtkernsanierung in die Fußgängerzone einbezogen und neu gestaltet. 1984 wurde wieder ein Brunnen angelegt, der von Bonifatius Stirnberg als Gewerbe-Brunnen ausgearbeitet ist.

Motiv:

Die Plastik zeigt die früher in Euskirchen vorherrschenden Berufe: Bauer, Gerber und Weber. Drei Figuren sind in typischer Arbeitshaltung und mit "Arbeitsgerät" in natürlicher Größe dargestellt. Die Bäuerin schiebt den mit Gemüsekörben beladenen Karren zum Markt, der Gerber "schabt" Leder und der Weber schafft am Webstuhl, der den zentralen Aufbau des Brunnens bestimmt.

  • Maße: (t) 470 cm x (b) 350 cm x (h) 230 cm
  • Technik: Bronze, in Einzelteilen gegossen und vor Ort zusammengefügt
  • Entstehung: 1984, Entwurf und Ausführung: Bonifatius Stirnberg, Aachen

Geschichte der Plastik:

Der Wunsch der Stadt war es, mit diesem Brunnen in naturalistischer Darstellung an den "Ursprung" der Stadt zu erinnern. Dabei stieß man auf etliche Brunnen dieser Art, die Bonifatius Stirnberg in dieser Region geschaffen hat. Der Künstler kam vor Ort, besichtigte den Standort, aber auch die Tuchfabrik Müller in Kuchenheim, die Lederfabrik Schäfer in Flamersheim und Landwirte. Nach der Fertigung eines Modells entschied sich die Stadt Euskirchen für die Ausführung durch den Künstler Stirnberg.

Die in Ton modellierten Figuren wurden vom Hauptausschuss in der Aachener Werkstatt besichtigt und begutachtet, danach erfolgte der Bronzeguss. Die Oberfläche wurde geglättet und poliert. Nach der Montage vor Ort wurde der Brunnen am 5.Mai 1984 durch Bürgermeister Wolf Bauer eingeweiht. Seither ist dieser Brunnen viel diskutiert, doch inzwischen fester Bestandteil des Alten Marktes.

Beschreibung des Markt-Brunnens:

Ein Becken mit breitem abgeflachten Randwulst bildet die Basis. Der Randsteg läuft - schauseits - auf der linken Seite spiralenförmig ins Innere des Beckens, wobei eine kleine Fontäne aus dem hochgestellten Kern heraussprudelt. Auf dem Randsteg ist seitwärts die Bäuerin mit dem Gemüsekarren aufgesetzt. In der entgegengesetzten Ecke steht auf dem Randsteg der Gerber , der das aus dem Wasser herausgezogene Leder bearbeitet. Rückwärts ist ein mehrstufiges rundgeformtes Podest mit zweireihig angelegten Wasserspeiern ins Becken eingefügt. Darauf ist ein aufragender Webstuhl angebracht, woran der Weber sitzt.

An sich ist der Brunnen unruhig und nimmt dadurch viel freien Raum in Anspruch, wobei dieser aber auf dem Alten Markt gegeben ist. Das Becken wirkt wie ein Sockel, aber doch nicht erhöht, sondern eher wie ein Brunnenbecken, wo der Betrachter in gleicher Ebene einbezogen wird. Da der Brunnen in einer Ecke des Marktplatzes angelegt ist, hat der Brunnen eine Hauptansicht, reizt aber zum Rundumgehen.

Bäuerin: Die Bäuerin schiebt den Gemüsekarren wohl zum Markt, um ihre Erzeugnisse anzubieten. In naturalistischer Manier hat Stirnberg eine Kopftuch tragende Frau mit zufriedenem Gesichtsausdruck in engagiert zielgerichteter Bewegungshaltung ausgearbeitet.

Gerber:
Der Gerber verrichtet seine Arbeit, ganz hingegeben, in geneigter Haltung. Das glatte Lederstück kontrastiert zur Kleidung, die in den vielen Falten die Schwere der Arbeit und Anspannung erkennen lässt.

Weber:
Der Weber bildet mit dem Webstuhl Kulisse und Zentrum des Brunnens. Der Weber selbst verschwindet hinter dem wuchtigen Aufbau des Webstuhles und tritt erst bei genauerem Hinsehen in Erscheinung. In typischer Weberkleidung sitzt er ganz konzentriert und schießt das Schiffchen durch.

Idee des Künstlers:
Leben und Arbeiten in Euskirchen plastisch darzustellen, ist die Intention des Künstlers. Dabei hat Bonifatius Stirnberg bei dem Brunnen das Element Wasser in Variation gebracht, als stehend ruhiges, als aufsteigend sprudelndes und als fallend strömendes Wasser. Diese Dreizahl hat Stirnberg in den Figuren wiederholt und hat also die drei hauptsächlichen Berufe der Region in den drei Figuren gefasst. Ein in sich geschlossener Kreislauf ist für den Künstler das Ergebnis der Ausgewogenheit von Bewegung und Ruhe, womit eine unproblematische, unbeschwerte Gegenwart in historischer Vergegenwärtigung zu lebensfreudiger Atmosphäre führen soll.

Zum Künstler:

Bonifatius Stirnberg, Bildhauer, lebt und arbeitet in Aachen
1933 in Freienohl/Sauerland geboren
1948 - 1951 Lehre Holzbildhauer
1951 - 1953 Lehre als Tischler
1957 Meisterprüfung als Holzbildhauer in Köln
1953 - 1959 Studium an der Werkkundeschule Aachen
Seit 1958 freischaffender Künstler/Bildhauer
1962 - 1966 Studium an der Kunstakademie Düsseldorf (Bildhauerei bei Prof. Josef Beuys)
Seit 1973 Atelier mit angeschlossener Bronzegießerei

Literatur: Bonifatius Stirnberg, Plastiken für die Stadt, Aachen 1987

Entnommen aus: KUNST / DENKMAL IN EUSKIRCHEN, HERAUSGEBER: EMIL-FISCHER-GYMNASIUM EUSKIRCHEN, Bearbeitet von Yvonne Hyla, Claudia Jordans, Monika Krüll, Silvia Schmilz. 12 Jg. Februar 2001

Fotos: Gregor Jonas