Sankt Michael

Fabio Cecere

Ähnlich wie bei St. Stephanus in Flamersheim handelt es sich bei dem heutigen Kirchenbau in Großbüllesheim um die Erweiterung des alten vorhandenen Kirchenraumes. Von der schon 856 bezeugten Kapelle dürfte bei den Normanneneinfällen von 881/82 und 892 sowie den Ungarnzügen vor 992 nicht viel übrig geblieben sein. Ferner ist nicht einmal gesichert, ob sie am Ort der heutigen Kirche gestanden hat. Bei Renovierungsarbeiten sind jedenfalls keine Spuren der uralten Kapelle zum Vorschein gekommen, wahrscheinlich stand sie weiter nördlich nahe des fränkischen Friedhofes.

Außen:
An der Südseite des alten romanischen Hauptschiffes schließt sich der hohe Ziegelrohbau des Neubaus und die eingeschossige Sakristei an. Westlich davon steht das neue Pfarrheim und nordwestlich als weitere selbständige Baueinheit das Küsterhaus. Die Anordnung dieser Gebäude im Hang und ihr Flachbaustil lassen den Blick von Westen auf die Kirche frei. Das aus Bruchstein gefügte Mauerwerk des alten Schiffs wurde instand gesetzt, die Fenster in den Obergaden wurden gleichförmig gemacht. Neben dem alten Hauptschiff blieb auch der ursprüngliche viergeschossige achsiale Westturm mit Westeingang erhalten. Er beherbergt im ersten Stock den ältesten Gottesdienstraum der Kirche, die Michaels-Kapelle, die heute als Meditations- und Jugendraum genutzt wird. Das erste Turmobergeschoß war ursprünglich durch drei Mauerbögen zum Kirchenschiff hin geöffnet. In den südlichen Bogen hat man in der Großbüllesheimer Kirche eine kleine rundbogige Tür gebrochen, durch die man von der bisherigen Orgelbühne in das Turmobergeschoß gelangt. Von diesem Raum aus, der eine flache Holzbalkendecke hat, konnte man am Gottesdienst in der Kirche teilnehmen. Er könnte zeitweise, bevor das Chorgestühl in Mode kam, der "weltlichen Herrschaft" als Empore oder Privatkapelle gedient haben. Möglicherweise fand hier auch die Tagung des geistlichen Gerichts (Send) statt.


Es ist jedenfalls zu vermuten, dass, wie in Türmen romanischer Kirchen nicht unüblich, auch in Großbüllesheim eine Kapelle zu Ehren eines Erzengels gewesen ist. In Westtürmen wie dem hiesigen war der Patron meist St. Michael als Wächter über dem Eingang der himmlischen Gottesstadt, als deren Abbild das Gotteshaus im frühen und hohen Mittelalter aufgefasst wurde. Die Glockenstube im dritten Stock öffnet sich nach jeder Seite mit einem Paar rundbogiger Fenster. Der achtseitige Helm ist geschiefert. Während der Turm schon 1966 mit Betonspritzen verstärkt und weiß getüncht wurde, blieb das Mauerwerk des Mittelschiffs unverputzt. Dies erleichterte die Einbeziehung  des alten, in den fast viermal größeren, neuen Baukörper, eine große, aus roten Klinkersteinen erbaute, auch im Innern unverputzte Halle mit markanten Betonstützen und - bändern in den Mauern, sowie mit vier parallelen Satteldächern, unter denen eine aus Holz und Eisen gefertigte Deckenkonstruktion angebracht ist. Das alte Schiff hat unter seinem erneuerten Satteldach wieder eine flache Balkendecke erhalten; seine Obergaden sind an den Innenseiten bis auf die Pfeiler und Arkadenfassungen verputzt, die neue Stirnwand ist hell getüncht. Der bisherige Turmeingang blieb mit unwesentlichen Änderungen erhalten, der Neubau hat den vorgebauten Haupteingang ebenfalls im Westen - mit einem stilisierten Lebensbaum auf der Westmauer - und einen Nebengang an der Südwestecke. An der Südseite des Neubaus schließt sich die neue Sakristei an. Nach Westen und Osten springen die beiden Mitteltrakte des Neubaus etwas vor. Die von oben bis unten reichenden Lichtbänder rahmen am östlichen Teil die gesamten Seitenflächen des Vorsprungs ein und versorgen den um eine Stufe erhöhten Chorbereich mit Licht. Die großen Giebelrauten in der Stirnseite der benachbarten Trakte und in der dem Chor gegenüberliegenden westlichen Stirnseite bilden ebenfalls Lichtflächen. Mit der architektonischen  Gestaltung des Raumes knüpft der Architekt an die Vorbilder von Rudolf Schwarz und Josef Bernard an, die den Kirchenraum gleichsam als "Werkhalle Gottes" dem Menschen dieser Zeit nahe bringen wollen. So ist ein lichterfüllter Raum entstanden, dessen farblos verglaste Fenster mit ihren sparsamen filigranartigen Ornamenten nur wenig das einfallende Licht verändern. Die Fenster sind von Paul Weigmann entworfen und in der Werkstätte Dr. H. Oidtmann in Linnich hergestellt worden. Bunt sind nur die Motive in den Obergadenfenstern der alten Nordmauer. 


Das heutige Gebäude, dessen romanische Ursprünge wahrscheinlich ins 12. Jh. zurückgehen, erfuhr mehrfach durchgreifende bauliche Änderungen. So wurde beispielsweise 1812 der Chor erweitert, oder es entstanden 1789 neue Seitenschiffe, die 1885 abermals erneuert und schließlich 1969 abgerissen worden sind. 1965 wurde es durch das Anwachsen der katholischen Kirchengemeinde notwendig,  entweder eine neue Kirche zu erbauen oder aber die alte zu erweitern. Der Architekt Karl-Josef Ernst (Zülpich) fand eine gelungene mittlere Lösung in einem Neubau unter Einbeziehung der alten Kirche in den Jahren 1969 - 73. Durch die Erweiterung entstand eine Art Doppelkirche. Das moderne Hauptschiff und das übrig gebliebene Schiff der romanischen Basilika liegen nebeneinander. Der mittelalterliche Teil ist vom Neubau aus zugänglich.

Innen:

Der schlichte Kirchenraum des Altbaus aus Bruchstein besitzt heute einen geraden Chorabschluß. An der nördlichen wie auch an der südlichen Wand weist der Raum je vier Bögen auf, darüber liegend, zu jeder Seite vier Rundbogenfenster. Während die Bögen an der Nordseite zugemauert wurden, stellen die der Südseite die Verbindung zu dem Erweiterungsbau von 1971 dar. Chronisten wissen zu berichten, dass die Großbüllesheimer Burgherren "das Schiff der Kirche" 1742 neu erbauen und im folgenden Jahr mit einem Holzgewölbe versehen ließen. Das ist jedoch unglaubhaft. Denn wenn das alte Mittelschiff abgerissen worden wäre, wären sowohl das Relief des hl. Christophorus an der südlichen Innenwand, als auch der fränkische Grabstein in der nördlichen Außenmauer des Altbaus verschwunden. Beide sind aber noch vorhanden. Man muss somit davon ausgehen, dass im Mittelschiff die flache Decke lediglich durch ein gotisches Holzgewölbe ersetzt wurde. Dadurch war die Darstellung des Christophorus vom Mittelschiff aus nicht mehr zu sehen. Als das gotische Gewölbe 1972 entfernt wurde, kam das Relief des Heiligen wieder zum Vorschein. Im Rahmen der Umgestaltung der Kirche ab 1969 wurden die ehemaligen beiden Seitenschiffe dann nacheinander abgetragen. Heute werden im Altbau Wortgottesdienste und Tauffeiern abgehalten. Die neue Kirche ist wie der Altbau geostet und dreischiffig entworfen, trotzdem wirkt der stützenlose Raum im Innern aber wie ein großes Rechteck. Der im alten, wie im neuen Teil einheitlich verlegte Fußboden besteht aus Eifelbasaltfliesen. Die Kupfertüren am neuen Bauteil gestaltete Albert Sous aus Würselen. 


Ausstattung:
Das Taufbecken aus Basaltlava gehört zu den Besonderheiten der Kirche. Es steht auf einer eigentümlich geformten Basis aus romanischer Zeit, während Schaft und Becken in gotischer Zeit gefertigt worden sind. Auf der Vorderseite des Beckens ist das Wappen des Abtes Karl Ludwig von Sickingen als Relief herausgearbeitet, der zwischen 1745 und 1763 der Abtei Cornelimünster vorstand. Wahrscheinlich schenkte der Abt den Taufstein Pfarrer Wachendorf zu dessen 25-jährigen Priesterjubiläum im Jahre 1756. Der Vater von Pastor Wachendorf war Pächter der Burg in Niederkastenholz auf der die Abtei Cornelimünster eine Probstei hatte. Die Äbte verbrachten meistens die Sommermonate in Niederkastenholz, so dass der damalige Abt den Pfarrer gekannt haben muss. Im Mittelteil des Altbaus stehen deftige Kirchbänke, die man in den fünfziger Jahren von St. Anno in Siegburg erwarb. Der Beichtstuhl stammt aus der Zeit um 1900 und in der Turmhalle verblieb des weiteren eine Pieta-Skulptur als Teil des 1920 beschafften Kriegerehrenmals. Aufmerksamkeit verdient das bereits erwähnte Christophorusrelief, das sich oben in der südlichen Seitenwand des Altbaus befindet. Aus der alten Kirche wurden ferner eine Hubertusfigur, ein Kreuz und vier Evangelistendarstellungen von der ehemaligen Kanzel übernommen.


Zwei Chorstühle mit Doppelsitzen aus der Zeit um 1500 hat man an der Stirnwand des neuen Chorbereichs aufgestellt. Sie zeigen figürlichen Schnitzereien an den Wangen mit Tieren, Menschenleibern, Masken und Missgestalten.Eine Skulptur vom hl. Michael, dem Patron der Kirche, installierte man um 1980 an der nordöstlichen Ecke des neuen Altarraumes. Den Altartisch und das Sakramentshäuschen aus weiß-grauem Trachit, sowie das als Standleuchte gearbeitete Ewige Licht aus Bronze im Neubau erstellte der Kölner Künstler Olaf Höhnen.Quasi importiert wurde die Kreuzigungsgruppe aus dem 19. Jh. , die über dem Altar hängt. Sie stammt aus St. Laurentius in Bergisch Gladbach und lag etliche Jahre im Depot des Erzbistums Köln in Brühl, bevor das Ensemble 1993 restauriert und nach Großbüllesheim geholt wurde.

Die Orgelbauanstalt Karl Bach aus Aachen hat der um 1938 erbauten Orgel nicht nur ein modernes Gehäuse gegeben, sondern sie auch von der pneumatischen auf eine elektrische Steuerung umgestellt und eine Reihe von Pfeifen verändert.

Glocken:
Die Marienglocke stammt von 1921, die beiden dem St. Michael und dem hl. Hubertus geweihten Glocken wurden 1954 angeschafft. Seit Ende 2005 erfreuen sich die Großbüllesheimer Bürger am Klang der neuen niederländischen Bronzeglocken, die die Namen Dreifaltigkeits-, Christus- und Heilig-Geist -Glocke tragen. Somit erklingt ein majestätisches harmonisches Geläut von sechs Glocken - ein Klang, der dem einer Kathedrale in nichts nachsteht.