Julia und Moses Schweizer

Moses Schweizer wurde am 1. Januar 1859 in Kleinvernich geboren. Zusammen mit seiner Schwester und seinem Bruder Siegmund, mit dem er später nach Euskirchen zog und sich eine Existenz als Manufakturwarenhändler aufbaute, wuchs er in dem beschaulichen Ort in der Gemeinde Zülpich auf.

Nach dem Verlust seiner ersten Frau Rosa und dem gemeinsamen Sohn Max, fand Moses Schweizer in Julia Kaufmann eine neue Partnerin. Die Ehe war mit vier zwei Söhnen und zwei Töchtern gesegnet: Siegfried, Moritz, Carolina und Rosalie. 

In den 1920er Jahren wurde Moses Schweizer wegen seiner hohen Gelehrsamkeit und seiner Frömmigkeit von der Ritenkommission der Titel „Raw“ verliehen.

Nach der Ernennung Hitler zum Reichskanzler im Jahr 1933 wurden bis 1945 viele Millionen Menschen wegen ihres jüdischen Glaubens verfolgt. Sie wurden entrechtet, terrorisiert und angefeindet. Im September 1933 starb Julia Schweizer im Alter von 64 Jahren. Moses Schweizer blieb noch einige Zeit in Euskirchen, suchte dann jedoch im Frühjahr 1935 - wie viele andere auch - Zuflucht und Anonymität in der Großstadt und zog nach Köln. 

Nach der Reichspogromnacht und dem Kriegsbeginn im September 1939 floh Moses Schweizer nach Belgien. Dort wurde er in dem kleinen Örtchen Binche erschossen.

Siegfried Schweizer

Julia und Moses Schweitzers erstgeborener Sohn Siegfried erblickte 1899 in Euskirchen das Licht der Welt. Er heiratete die aus Bad Ems stammende Johanna Weingarten. Mit ihr und den drei gemeinsamen Kindern Felix, Berthold und Eva Julie lebte er ab 1933 in Köln.

Als im September 1935 die Nürnberger Gesetze erlassen wurden, durch die Juden alle politischen Grundrechte verloren, entschlossen sich viele jüdische Familien zu einer Flucht ins Ausland. Siegfried Schweizer und seiner Familie gelang 1937 die Flucht über Belgien in die USA. 

1954 verstarb Siegfried Schweizer in Pittsburg, wo sich die Familie eine neue Existenz aufgebaut hatte.

Dr. Moritz Schweizer

Moritz Schweizer war der zweitgeborene Sohn von Julia und Moses Schweizer. Er wurde im Jahr 1900 in Euskirchen geboren. Nach einem Studium der Volkswirtschaft an der Universität Köln promovierte er und trat einen Assistenzstelle am Statistischen Seminar an. 

Später zog Moritz Schweizer nach Essen, wo er als Geschäftsführer der Synagogengemeinde tätig war.

Als Dr. Moritz Schweizer 33 Jahre alt war, wurde Adolf Hitler zum Führer und Reichskanzler. Bis 1945 wurden daraufhin viele Millionen Menschen wegen ihres jüdischen Glaubens verfolgt. In der Hoffnung dem zu entgehen, floh Moritz Schweizer 1940 in die Niederlande. Dort wurde er 1943 gefasst und im Durchgangslager Westerbork interniert. Insgesamt verließen mehr als 100 Züge das Lager Westerbork in Richtung Mittel- und Osteuropa. Im Februar 1944 deportierte man ihn ins Konzentrationslager Bergen-Belsen.

Im April 1943 übernahm die SS einen Teil des Lagergeländes Bergen-Belsen von der Wehrmacht und nutzte ihn als Konzentrationslager. Im Sommer 1944 begann die SS, frontnahe Lager zu räumen und Zehntausende Häftlinge unter katastrophalen Umständen in zentralere Lager zu transportieren. Mit mehr als 100 Transporten und Todesmärschen wurden daher ab Dezember 1944 mindestens 85 000 Männer, Frauen und Kinder nach Bergen-Belsen gebracht. Die Fahrten in überfüllten Viehwaggons und die Fußmärsche dauerten teilweise mehrere Wochen.

Vor allem Hunger und Seuchen forderten allein im März 1945 mehr als 18 000 Opfer. Eine Typhus- und Fleckfieberepidemie brach aus. Von insgesamt 120 000 Häftlingen aus fast allen Ländern Europas starben hier mehr als 52 000 Männer, Frauen und Kinder.

Nach mehrtägigen Waffenstillstandsverhandlungen übernahmen am 15. April 1945 britische Truppen kampflos das Konzentrationslager Bergen-Belsen. Kurz zuvor räumte die SS das Austauschlager weitgehend: Etwa 6700 Häftlinge sollten mit drei Bahntransporten vermutlich in das Ghetto Theresienstadt verlegt werden. Einer von ihnen war Dr. Moritz Schweizer.

Die Häftlinge wurden auf engstem Raum in den Zug gebracht, ohne Essen oder Wasser. Nur ein Zug erreichte Theresienstadt. Ein weiterer Zug mit rund 2.500 Häftlingen kam nach sechstägiger Fahrt nördlich von Magdeburg zum Stehen. Die deutschen Bewacher flüchteten, bevor amerikanische Truppen die KZ-Häftlinge befreiten.

Der letzte der drei Transporte wurde als „Verlorener Zug“ bekannt. Der Zug fuhr über Lüneburg, Berlin und Finsterwalde bis in den kleinen brandenburgischen Ort Tröbitz, wo er vor einer kurz zuvor gesprengten Eisenbahnbrücke stehen blieb. Ein Teil des Wachpersonals setzte sich daraufhin mit der abgehängten Lokomotive ab. In den Morgenstunden des 23. April 1945 stießen Soldaten der Roten Armee auf die größtenteils noch verriegelten Waggons und befreiten die völlig ausgehungerten, entkräfteten und kranken Häftlinge. Am Ende waren 198 Menschen während der Fahrt gestorben. 

Die Schwerkranken verblieben zunächst im Zug. In einem ehemaligen Barackenlager für ukrainische Zwangsarbeiter richtete man ein Notlazarett für die Typhuskranken ein und stellte den Ort unter Quarantäne. Wer noch laufen konnte, suchte sich eine Unterkunft in der kleinen Gemeinde. Trotz der Hilfe starben in den folgenden Wochen noch über 300 Menschen. Auch Dr. Moritz Schweizer steckte sich mit Fleckfieber an und wurde im Lazarett mehrere Wochen gesund gepflegt.

Am 16. Juni 1945 begann die Rückführung der Überlebenden. Bis Ende August 1945 hatten dann, bis auf eine Familie, alle den Ort wieder verlassen. Unter ihnen war auch Moritz Schweizer, der zurückkehrte und 1947 in die USA zu seiner Familie emigrierte. Er starb 1982 in Miami Beach.

Carolina Schweizer

Carolina Schweizer war die erstgeborene Tochter von Moses und Julia Schweizer. Sie wurde 1902 in Euskirchen geboren. Ihre Kindheit wurde geprägt durch den Ersten Weltkrieg und das Inflationsjahr 1923. Als junge Erwachsene erlebte sie 1929 die weltweite Wirtschaftskrise und den Aufstieg der NSDAP bis zur Machtergreifung 1933.

Die Verfolgung durch die Nationalsozialisten zwang zahlreiche Jüdinnen und Juden zur Flucht ins Ausland. Während in den ersten Jahren nach Hitlers Machtergreifung die Mehrheit nach Westeuropa emigrierte, retteten sich die Flüchtlinge mit der zunehmenden Ausweitung des nationalsozialistischen Einflussbereiches später besonders nach Palästina, in die USA und nach Südamerika. Auf der Flucht vor nationalsozialistischer Verfolgung und Vernichtung verließen ab 1933 schätzungsweise bis zu 300.000 Personen jüdischen Glaubens Deutschland.

1941 flüchtete Carolina Schweizer in die USA. Die meisten, die in die USA einreisen wollten, mussten zahlreiche Dokumente vorlegen, um ein Visum zu erhalten. Nach einer Registrierung beim Konsulat mussten sie die erforderlichen Papiere beschaffen: Identitätsnachweise, polizeiliche Führungszeugnisse, Ausreise- und Durchreiseerlaubnisse, eidesstattliche Erklärungen über ihre finanzielle Unabhängigkeit. Die Beschaffung dieser Dokumente verursachte einen bürokratischen und langsamen Einwanderungsprozess. Zudem war die Zahl der jährlich zugelassenen Einwanderer durch feste Quoten geregelt. Trotz der bekannten Anfeindungen durch die Nationalsozialisten wurde die Einwanderungspolitik der USA erst spät gelockert. Man befürchtete eine Belastung des Staates, wenn Einwandernde nicht über genügend finanzielle Mittel verfügten. Zwischen 1933 und 1941 gelang es ca. 110.000 jüdischen Flüchtlingen in die USA zu fliehen.

In den USA baute sich Carolina Schweizer ein neues Leben auf. Sie lernte dort ihren Ehemann Simon Langer kennen, mit dem sie drei Kinder bekam. 1988 starb sie im Alter von 86 Jahren in New York.

Rosalie Schweizer

Die jüngste Tochter von Moses und Julia Schweizer wurde 1905 in Euskirchen geboren. Auch ihre Kindheit und Jugend waren geprägt von Krieg, Krisen und dem immer stärker hervortretenden Antisemitismus. 

Anfang der 1930er Jahre lernte Rosalie Schweizer den Metzger Martin Bamberger kennen. Die beiden heirateten 1935 in Bad Neuenahr. Nach der Hochzeit zog Rosalie Bamberger zu ihrem Mann nach München, wo 1936 und 1937 ihre beiden Söhne geboren wurden.

1938 reiste die Familie über die Niederlande in die USA aus. Nach dem Krieg setzte sich Rosalie Bamberger für ihre Familie ein und stellte einen sog. Wiedergutmachungsantrag. Mit dem Begriff Wiedergutmachung werden die Maßnahmen Deutschlands zusammengefasst, durch die Verfolgte des Nationalsozialismus materiell entschädigt wurden. Sie bedeuten nicht, dass erlittenes Leid durch die gewährten Leistungen abgegolten werden kann. So konnten die Familien entwendetes Eigentum zurückerhalten oder aber Entschädigungszahlungen und Unterstützungsmaßnahmen bekommen.

Rosalie Bamberger starb am 06.07.1992 in Baltimore.