
Familie Ludwig und Helena Kahn
Ludwig Kahn wurde am 12. August 1888 in Sulzburg als Sohn des Ehepaares Josef und Emilie Kahn geboren. Sein Vater Josef arbeitete als Leder- und Zigarrenhändler, ein Beruf, den sein Sohn Ludwig später auch ausübte. Gemeinsam mit sechs Geschwistern wuchs Ludwig Kahn in Sulzburg auf.
1921 heiratete er die aus Euskirchen stammende Helena Schweizer. Mit ihr zog er zwei Kinder groß: Hannelore und Rudolph.
1928 zog Familie Kahn von Freiburg nach Euskirchen. Dort führte Ludwig Kahn einen Laden für Metzgereibedarf und eine Häutehandlung in der Wilhelmstraße 5.
Das Krisenjahr 1923 und die Weltwirtschaftskrise verstärkten in der 1920er Jahren den schwelenden Antisemitismus der Bevölkerung. Die NS-Bewegung griff diese Atmosphäre auf und rückte den Antisemitismus ins Zentrum ihrer Politik. Ab 1933 erlebten Jüdinnen und Juden alltägliche Anfeindungen. Am 1. April 1933 rief die neue nationalsozialistische Regierung zu einem Boykott aller jüdischen Geschäfte auf. Auch in Euskirchen formierte sich die SA zu einem Fackelzug und verklebte Schaufenster jüdischer Geschäfte und behinderte die Kunden an deren Betreten. Wer noch in jüdischen Geschäften Besorgungen erledigte, wurde solange angefeindet, bis niemand mehr dort einkaufte. Ab 1934 veröffentlichte auch die Euskirchener Lokalpresse zunehmend judenfeindliche Hetzartikel und verstärkte damit die Anfeindungen gegen jüdische Familien in Euskirchen weiter.
Trotz der Terrorisierungen und Einschränkungen blieben viele jüdische Familien auch nach der Machtergreifung in Euskirchen wohnhaft. Es war schließlich ihr Zuhause.
Als im September 1935 die Nürnberger Gesetze erlassen wurden, durch die Juden alle politischen Grundrechte verloren, entschlossen sich jedoch viele Familien zu einer Flucht ins Ausland. Die Familie Kahn blieb vorerst in Euskirchen und hoffte auf eine Genehmigung zur Auswanderung.
Als Ludwig Kahn 1938 die Konzession für den Gewerbehandel entzogen wurde und somit gezwungen war den Betrieb abzumelden, verlor die Familie gänzlich die Lebensgrundlage. Die Kahns fanden Unterschlupf im Haus von Ludwigs Schwiegereltern Siegmund und Klara Schweizer, bis sie im Frühjahr 1939 die Ausreisepapiere nach Haiti erhielten. Etwa 160 deutsche Jüdinnen und Juden flüchteten vor dem NS-Regime nach Haiti. Für fast alle war der wirtschaftlich schwach entwickelte Inselstaat eine Zwischenstation auf dem Weg in die USA. Insgesamt gelang etwa 750 Personen nach zermürbenden Verhandlungen und einem aufwändigen Bewerbungsverfahren die rettende Flucht nach Haiti. Sie sollten hier einen Kibbuz errichten, ein landwirtschaftliches Vorzeigeprojekt. Die Voraussetzungen hierfür waren schlecht: Karge Böden, Hitze und mangelnde Gerätschaften stellten die Geflüchteten vor neue Herausforderungen ebenso wie der Bau von Unterkünften und die Organisation des kulturellen und religiösen Lebens.
Ludwig Kahn und seiner Familie gelang mit der Ausreise nach Haiti die Flucht vor dem Holocaust. Nach dem Krieg emigrierten sie in die USA und bauten sich in San Francisco ein neues Leben auf. 1951 wurden sie offiziell eingebürgert. Ludwig Kahn arbeitete bis zu seiner Pensionierung als wissenschaftlicher Mitarbeiter im chirurgischen Institut der Stanford University. Er starb am 31.01.1984 in San Francisco im stolzen Alter von 96 Jahren. Helena Kahn verstarb im Jahr 1990.