Familie Berta und Isidor Marx
Isidor Marx wurde am 12. Oktober 1883 in Schweinheim geboren, wo seine Familie seit vielen Jahrzehnten lebte. Sie lässt sich bis ins 18. Jahrhundert zurückverfolgen.
Im Jahr 1913 zog Isidor Marx mit seiner 1886 in Kirspenich geborenen Ehefrau Berta, geborene Cahn, nach Euskirchen und führte in der Hochstraße 42 ein Textil- und Schuhwarengeschäft. Ihr Sohn Erich wurde am 14. März 1914 in Euskirchen geboren. Kurz danach zog Isidor Marx mit anderen jüdischen Soldaten in den Ersten Weltkrieg.
1919 verzog Familie Marx in die Hochstraße 56, wo Isidor Marx ein Geschäft für Metzgereibedarfsartikel führte. Später war die Hochstraße 56 auch der Sitz des Fahrunternehmens von Sohn Erich Marx.
Das Krisenjahr 1923 und die Weltwirtschaftskrise verstärkten in der 1920er Jahren den schwelenden Antisemitismus der Bevölkerung weiter. Die NS-Bewegung griff diese Atmosphäre auf und rückte den Antisemitismus ins Zentrum ihrer Politik. Nach der Ernennung Hitlers zum Reichskanzler im Jahr 1933 wurden bis 1945 viele Millionen Menschen wegen ihres jüdischen Glaubens verfolgt. Sie wurden entrechtet, terrorisiert und angefeindet.
Die NSDAP-Führung versuchte die Juden durch Verordnungen zu entrechten und zur Emigration zu treiben und schürte dadurch den antisemitischen Terror weiter. Um diesen Terror zu kanalisieren, ließ Adolf Hitler 1935 auf dem Reichsparteitag der NSDAP eine gesetzliche Regelung ausarbeiten. Am 15. September wurden das "Reichsbürgergesetz" und das "Gesetz zum Schutze des deutschen Blutes und der deutschen Ehre" verabschiedet. Diese sog. Nürnberger Gesetze stempelten die jüdischen Mitbürgerinnen und Mitbürger zu Menschen minderen Rechts ab.
1938 wurden alle jüdischen Gewerbebetriebe registriert und gekennzeichnet. Kurz darauf wurde Isidor Marx die Gewerbeerlaubnis entzogen und er erhielt ein Gewerbeverbot. Die Familie verlor gänzlich die Lebensgrundlage.
Am Nachmittag des 10. November 1938 zerstörten SA-Männer die Scheiben im ganzen Haus der Familie Marx in der Hochstraße. Im Metzgereibedarfsartikelgeschäft waren alle Säcke mit Gewürzen ausgeschüttet und der Inhalt der Einmachgläser darüber ausgeleert worden.
Nach der Reichspogromnacht wurden im gesamten Reich 30.000 männliche Juden grundlos verhaftet und in eines der drei damals bereits existierenden Konzentrationslager verschleppt. Unter ihnen waren auch Isidor und sein Sohn Erich.
Sie wurden zunächst in Schutzhaft im EL-DE-Haus in Köln genommen und dann am nächsten Morgen in das Arbeitslager Brauweiler gebracht.
Die „Schutzhaft“ war eines der schlagkräftigsten Instrumente des NS-Regimes zur Bekämpfung seiner Gegner. Mit Hilfe der Schutzhaft, deren formaljuristische Grundlage die Reichstagsbrandverordnung vom 28. Februar 1933 bildete, schuf sich die Geheime Staatspolizei (Gestapo) einen von jeder rechtsstaatlichen Bindung gelösten Raum staatlicher Willkür.
Eine Woche nach ihrer Verhaftung wurden Isidor und Erich Marx ins Konzentrationslager Dachau verlegt.
Die Lager-SS tobte sich an den neu zugegangenen Häftlingen mit besonderer Grausamkeit aus. Hunderte dieser sog. Aktionsjuden wurden ermordet oder starben an den Spätfolgen der erlittenen Haft. Die Mehrzahl der überlebenden Inhaftierten wurde ab Dezember 1938 nach und nach wieder entlassen, sofern sie sich schriftlich verpflichteten, schnellstmöglich aus Deutschland zu emigrieren und ihren Besitz dem Staat zu überlassen. Auch Isidor und Erich Marx wurden entlassen.
Nach ihrer Rückkehr nach Euskirchen konnte Familie Marx eine Schiffspassage für Erich Marx mit dem Ausreiseziel Trinidad, Britisch West Indien, erstehen. Erich Marx verließ die Heimat im Dezember 1938 via Amsterdam mit der Royal Dutch Steamship Company nach Port of Spain, der Hauptstadt von Trinidad. Im Juni 1939 folgten die Eltern nach. Gemeinsam bauten sie sich ein kleines Gästehaus auf und gaben neu ankommenden jüdischen Flüchtlingen ein erstes Heim. Zusätzlich arbeitete Erich Marx als Fahrer.
Auf der Karibikinsel Trinidad fanden wenige Hundert jüdische Flüchtlinge Zuflucht. Für einige wurde sie zur neuen Heimat, für andere war sie eine kurze Zwischenstation bis zur Weiterreise in die USA. Trinidad war eine britische Kolonie. Für die Einreise musste man 50 Britische Pfund Landegeld bezahlen. Mit Kriegsbeginn wurden alle jüdischen Flüchtlinge als feindliche Ausländer in Port of Spain interniert.
Per Definition zählten zu den feindlichen Ausländern jüdische Flüchtlinge aus Deutschland, Österreich und den von Deutschland besetzten Gebieten. Die Männer sollten am 1. Juli 1940 interniert werden, Frauen und Kinder vier Wochen später. Die Politik der Internierung von Männern sorgte zunächst für Aufruhr in der kleinen jüdischen Gemeinde, insbesondere für die zurückgelassenen Frauen und Kinder, die auf ihre eigene warteten und wenig oder gar keine finanzielle Unterstützung hatten. In Großbritannien lockerte sich die offizielle Politik gegenüber den Flüchtlingen in Großbritannien, als die Nachrichten über die harte Behandlung der internierten Flüchtlinge allmählich durchsickerten. Dennoch blieben die jüdischen Flüchtlinge in Port of Spain interniert.
Trotz der relativ humanen Bedingungen war die Internierung immer noch ein Gefängnis. Die Bewegungsfreiheit und der Kontakt zur Außenwelt waren eingeschränkt. Ringsum standen Wachtürme und Suchscheinwerfer. Viele jüdische Häftlinge verließen Trinidad in Richtung USA. Für die Verbliebenen wurde erst 1943 die Internierung aufgehoben.
Nach der Freilassung baute sich Erich Marx einen Drogeriemarkt auf. Er heiratete 1946 in Trinidad und bekam zwei Söhne, 1960 siedelte er mit seiner Familie nach England über. Berta und Isidor Marx starben Ende der 1950er Jahre auf Trinidad.