Besondere Gäste bei der Verlegung der Stolpersteine

„Ich habe gezögert, hierher zu kommen“, sagt Jeffrey Horn. Aus North Carolina bzw. Kalifornien ist er mit 11 Mitgliedern seiner Familie nach Euskirchen gekommen. Der Anlass: Die Verlegung von Stolpersteinen für seine Mutter Hilda und seinen Bruder Berthold.

„Die letzten 24 Stunden haben mir die Chance auf einen inneren Abschluss gewährt mit der Art, wie meine Familie ihre Heimat verlassen musste“, sagt Horn rückblickend.

40 Stolpersteine wurden am Mittwoch in Euskirchen verlegt. Zwei davon vor der Kommerner Straße 6, wo einstmals das Kaufhaus Horn gestanden hat. Vor Ort lagen bereits Steine für Jeffrey Horns Großeltern Jakob und Sara Horn, seinen Onkel Arthur Horn und seinen Vater Kurt Horn.

Bei der Verlegung spricht Jeffrey Horn einige Worte an die über hundert Gäste, die dem offiziellen Akt beiwohnen. Er bedankt sich dafür, dass an das Schicksal seiner Familie erinnert wird und dafür, dass in Euskirchen und generell in Deutschland so viel Aufarbeitungsarbeit geleistet wird.

Man könnte verstehen, wenn er Groll hegen würde gegen Deutschland, gegen die Menschen in Euskirchen. Das Geschäft seines Vaters wurde während der Reichskristallnacht niedergebrannt, der Vater wurde in Euskirchen zusammengeschlagen, als er mit seinem Bruder versuchte, die letzten Habschaften der Familie zu retten. Nur mit Glück gelang ihm die Flucht – ein Glück, das nicht alle Familienmitglieder teilten.

„Ich habe den Zorn vor langer Zeit hinter mir gelassen“, sagt Horn dazu. Der Weg in eine bessere Welt geht nur, wenn man offen füreinander ist, so seine Devise. Deshalb entschied er sich schlussendlich mit seiner Familie die Reise nach Euskirchen auf sich zu nehmen.

„Ich bin dankbar für den Empfang, den meine Familie erfahren hat. Man spürt das Bedauern der Menschen in Deutschland für das, was passiert ist und die Auswirkungen, die diese Zeit auf die Leben auch der Menschen hier hat“, berichtet er.

Sein Fazit: „Ich kann nach diesen Erlebnissen mit offenem Herzen wiederkommen.“

Am liebsten, so sagt er, möchte er schon im kommenden Jahr wieder in Euskirchen sein und den Spuren seiner Familiengeschichte folgen.

Die Familie Horn ist nicht die einzige, für die am Mittwoch Stolpersteine verlegt wurden. Für zehn Familien wurden an zehn Standorten Steine vor den ehemaligen Häusern eingesetzt. Ein Mammutprojekt für Archivleiterin Sabine Dünnwald und ihr Team. Es mussten nicht nur Sponsoren gefunden werden, die die Kosten für die Steine übernehmen – zu jedem Stein wurde die Geschichte der vertriebenen Person recherchiert und vor Ort vorgetragen.

 

Zum Auftakt sprach Bürgermeister Sacha Reichelt, der seine Worte auch ganz gezielt an die anwesenden Angehörigen richtete und sich bedankte, dass sie nach Deutschland gekommen waren und sich auf den Austausch eingelassen hatten. Der Bundestagsabgeordnete Detlef Seif war ebenfalls vor Ort – die ersten Stolpersteine wurden direkt vor seinem Büro verlegt. Er betonte die Verantwortung des Staates gegenüber seinen Bürgerinnen und Bürgern. Im Nationalsozialismus sei es der Staat gewesen, der den Terror auf die Menschen ausübte. Dazu dürfe es nie wieder kommen. 

 

Besonders war die Verlegung für die Familie Carl auf der Münstereifeler Straße. Auch dort waren Angehörige aus England und der Schweiz angereist, um den offiziellen Akt zu erleben. Einen der Steine hatte die Euskirchener Polizei gestiftet. Die neue Leiterin der Polizei, Gabriele Mälchers, hielt deshalb vor Ort eine eindrückliche Ansprache, in der sie auch die Verantwortung der Polizei dafür betonte, dass eine Gesellschaft offen und tolerant bleibt.

 

Die Steine wurden verlegt vom Künstler Gunter Demnig, der das Projekt Stolpersteine 1995 ins Leben gerufen hatte und seitdem über 117.000 Steine in über 1.900 Kommunen in Deutschland und zum Teil auch in den Nachbarländern verlegt hat. Diese Gedenksteine sind quadratische Messingplatten, gegossen in einem Betonblock, die vor den Wohnhäusern angebracht werden, in denen die Opfer des Nationalsozialismus zuletzt freiwillig lebten. Sie erinnern dort an die verfolgten und ermordeten Menschen aus allen Bevölkerungsgruppen.

„Ein Mensch ist erst vergessen, wenn sein Name vergessen ist“, so der zentrale Satz des Projektes.

In Euskirchen hat die Verlegung der Stolpersteine nicht nur 40 Namen vor dem Vergessen bewahrt, sie hat den Angehörigen der Familie Horn auch die Chance gewährt, mit der Vergangenheit abzuschließen und ein neues Kapitel im Umgang mit Deutschland aufzuschlagen.